Initiativen des Börsenvereins und der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins

Eine Übersicht der Projekt-Webseiten des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Ein zweites Standbein in Bonn

Seit 2006 in Achim in Niedersachsen und seit 2014 zusätzlich in Bonn – das Ehepaar Iris Hunscheid und Veit Hoffmann hat die Expansion gewagt und eine zweite Buchhandlung übernommen. Neben der Buchhandlung Hoffmann, die ihr Haupteinsatzgebiet ist, sind beide geschäftsführende Gesellschafter der Buchhandlung Jost im Bonner Stadtteil Kessenich. Weshalb sie eine zweite Filiale übernommen haben, worauf es zu achten gilt und wie das Tagesgeschäfts an zwei Standorten organisiert wird, berichtete Hoffmann im Interview der ehemaligen Geschäftsführerin des Landesverbands Nord Carola Markwa.   

© R. Furtwängler

Ab welchem Zeitpunkt ist es sinnvoll Überlegungen für eine zweite Filiale anzustellen? Wie groß muss der finanzielle/zeitliche Spielraum sein?

Grundsätzlich ist es erst dann sinnvoll, wenn man freie Zeit und freie Kapazitäten hat, wenn der eine Standort gut läuft und das Tagesgeschäft problemlos funktioniert. Hat man darüber hinaus noch Zeit übrig – und möchte diese im Buchhandel verbringen – sind erste Überlegungen sinnvoll: Möchte man neu gründen oder übernehmen? Das hängt natürlich auch von der Region und vom Standort ab. Und natürlich ist der finanzielle Spielraum unterschiedlich, ob man neu gründet oder kauft. Bei einem Kauf muss zum Beispiel das Inventar und vieles mehr bewertet werden. Aber dort können einem Betriebsberater*innen weiterhelfen.

Wir hatten uns damals einen Rahmen gesetzt, in welchem Zeitraum die Finanzierung abbezahlt werden soll. Dann haben wir uns angeschaut, wie sieht die BWA des zu übernehmenden Betriebes aus? Wie viel wirft das Unternehmen in diesem Zeitraum ab? Daraus ergab sich schließlich eine Summe und so war der Spielraum klar. Andere haben bestimmt auch andere Herangehensweisen und ebenso kann der Zeitraum, den man sich setzt, natürlich unterschiedlich sein.

Welche Faktoren waren für Sie bei der Standortsuche entscheidend?

In unserem Fall ist die Entfernung ja sehr groß (Bonn zu Achim). Wir sind eher per Zufall zu dem Standort in Bonn gekommen. Eigentlich wäre ein Umkreis von maximal 100km zwischen den Standorten zu empfehlen. Aber wenn sich etwas ergibt, das weiter weg liegt, sollte man es auch nicht pauschal ausschließen, sondern sich das Angebot genauer anschauen. Vieles hängt immer von der Struktur vor Ort ab und lässt sich nicht pauschal sagen.

Was hat Ihnen am meisten geholfen, als es ernst wurde? Haben Sie sich externe Unterstützung geholt?

Wir hatten natürlich auch externe Unterstützung. Wir sind gut vernetzt, das schadete nicht. Wir haben einen sehr guten Steuerberater, der mehrere Buchhandlungen als Mandant hat – grundsätzlich empfiehlt sich ein Steuerberater, der sich im Buchhandel auskennt. Und wir haben einen Betriebsberater, mit dem wir auch in Erfa-Gruppen zusammenarbeiten. Den hatten wir selbstverständlich auch eingeschaltet. Dies war auch bei der Vertragsgestaltung hilfreich, denn es geht bei einem Vertrag nicht nur um die Gesamtsumme, sondern auch um die Aufteilung des Kaufpreises, weil es unterschiedliche Abschreibungsfristen gibt und sie damit unterschiedlich auf die Bilanz wirken. Denn grundsätzlich gilt, je schneller eine Abschreibung möglich ist, desto besser.  Externe Unterstützung schadet nie – besser man fragt einmal zu viel als einmal zu wenig. In Bonn führten wir zudem Gespräche mit der IHK, was uns allerdings nicht viel gebracht hat. Dies lag aber auch daran, dass wir schon gut vorbereitet waren. 

Was würden Sie im Rückblick anders machen – wenn es etwas zu ändern gäbe? Hat der Zeitraum gepasst?

Wir waren positiv überrascht. Alles spielte sich schneller ein als gedacht. Bestimmt würden wir auch manche Dinge anders machen, aber bewusst? Das ist heute schwer zu sagen.

Der unwägbarste Punkt bei einer Übernahme ist das Team, das übernommen wird. Denn in die Köpfe der Mitarbeiter*innen kann man nicht reingucken. Wir haben mit allen gesprochen, was im Vorfeld auch besonders wichtig war. Man muss klar kommunizieren, wer man ist, was man will und wie man sich die Zukunft vorstellt. Denn es gibt nichts Schlimmeres, wenn die Mitarbeiter*innen nicht wissen, was mit ihnen und ihren Arbeitsplätzen in Zukunft passiert. Zum Beispiel ob, eine externe Filialleitung eingesetzt wird. Das sind alles Fragen, die im Vorfeld geklärt werden müssen.

In unserem Fall arbeitete unser neues Team in Bonn auch schon vor der Übernahme sehr selbstständig. Sonst wäre das über die große Entfernung mit zwei Buchhandlungen nicht machbar gewesen. Denn wir haben keine klassische Filialleitung implementiert, was man im anderen Fall hätte machen müssen. Das hätte natürlich auch Auswirkungen auf die Kalkulation gehabt. Denn schließlich ist der größte Posten in der Kostenstruktur des Buchhandels das Personal.

Daher ist es vor einer Übernahme wichtig, sich die Verträge genau anzuschauen. Denn neben den Mitarbeiter*innen ist man rechtlich verpflichtet auch die Verträge zu übernehmen. Es kann sinnvoll sein, Änderungskündigungen auszusprechen – vorausgesetzt beide Seiten sind einverstanden. Solche Dinge sollten so früh wie möglich angesprochen werden, noch bevor man einen Kaufvertrag unterschrieben hat. Das ist auch nicht gegen die Mitarbeiter*innen gerichtet, aber kann Probleme in der Kalkulation hervorrufen, wenn man im Nachgang mündliche Absprachen vorfindet, von denen man nichts wusste. In unserem Fall spielte dies glücklicherweise keine Rolle.

Wie organisieren Sie heute das Tagesgeschäft mit zwei Filialen?

Das Tagesgeschäft organisieren die Filialen jeweils selbstständig. Aber natürlich besprechen wir strategische Dinge. Wir planen von geschäftsführender Seite unter anderem Umbaumaßnahmen und Personaleinstellungen. Ich bin zweimal im Monat in Bonn, meine Frau alle 4-6 Wochen und einmal im Quartal sind wir gemeinsam vor Ort. Das lässt sich zeitlich gut planen. Mindestens alle sechs Wochen haben wir gemeinsame Teamsitzungen. Wir haben in Bonn einen großen Anteil Firmenkunden und dort ist wichtig rechtzeitig zu wissen, ob es irgendwelche Besonderheiten gibt. Zum Beispiel, ob wir einen neuen Service oder neue Angebote bieten müssen.

Dass wir schwerpunkmäßig weiter in Achim sind, ist auch dieser besonderen Struktur geschuldet, denn neben dem klassischen Tagesgeschäft, wie Beratung und Verkauf, werden auch alle anderen buchhändlerischen Tätigkeiten von den Mitarbeiter*innen in Bonn durchgeführt. So ist z. B. ein Kollege ist für die Disposition verantwortlich, für das Firmenkundengeschäft ein anderer. Und diese Zuständigkeiten ziehen sich durch das ganze Team. So trägt jede und jeder Mitarbeiter*in für einen bestimmten Bereich die Verantwortung. Das funktioniert sehr gut. Nur die Konditionengespräche mit den Verlagen führen wir zentral. Wichtig ist allerdings auch, dass wir in beiden Geschäften mit der gleichen Warenwirtschaft arbeiten. In Bonn gab es vorher keine. Hier war es essentiell, nachzuziehen.

Zum Abschluss: Können Sie eine Umsatzgröße nennen, ab wann eine Filiale Sinn macht?

Dies hängt sehr von der Art des Umsatzes ab. Wie viel rabattierter Umsatz ist dabei, zum Beispiel durch Schulbuch- oder Bibliotheksumsatz? Wie viel Umsatz wird durch Fachbuch und so durch Fortsetzungen erzielt? Ich würde empfehlen, der Umsatz sollte 700.000 Euro nicht unterschreiten, wenn man nicht selbst im Laden stehen will. Denn bei reinem Fremdpersonal ist natürlich ein höherer Rohertrag notwendig.