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Social-Media-Kampagnen – Mehr als nur ein Strohfeuer

Erfolgreiche Social-Media-Kampagnen können viele Gesichter haben. Sie gewinnbringend anzuwenden, ist nicht nur eine Frage der zur Verfügung stehenden Ressourcen, sondern auch eine der Kreativität und Verlässlichkeit. | Ein Beitrag des Börsenvereins
Erstellt am 01.02.2025


Ganz egal ob als Verlag, als Buchhandlung, oder sonstige Institution in der Buchbranche, mit einer gezielten Social-Media-Kampagne lässt sich nicht nur das eigene Image positiv beeinflussen, sondern auch der Erfolg der eigenen Produkte steigern. In diesem Text werden die vielfältigen Möglichkeiten vorgestellt, wie eine solche Kampagne aussehen kann, und es wird gezeigt, worauf man besonders achten muss, welche Fallstricke es gibt und für welches Unternehmen welche Strategie am zielführendsten ist. 

Im Hintergrund läuft „Eye of the Tiger“ von Survivor, während auf dem Display eine Frau zu sehen ist, die sich ganz im Stile Rocky Balboas die Trainingsklamotten überstreift und zur Tat schreitet. Aber statt die Treppen zum Philadelphia Museum of Art hochzulaufen, stemmt sie Bücher wie Gewichte. Im Begleittext zu diesem Video, das auf Instagram beinahe 10.000 Mal angesehen wurde und fast 100 Kommentare hat, präsent markiert: der Rowohlt Verlag.  

Social-Media-Kampagnen unterscheiden sich durch ihre Konzeption von einfachen Aktionen in den sozialen Netzwerken, weil sie mehrdimensional angelegt sind. Entweder beziehen sie mehrere Blogger*innen, Influencer*innen oder Autor*innen ein, die koordiniert Content generieren und teilen, oder aber sie sind mindestens mittelfristig angelegt. Damit sind Social-Media-Kampagnen das effektivste Mittel, um online an Reichweite zu gewinnen und das Engagement mit bereits bestehenden Follower*innen zu vertiefen – Kundenbindung und -neugewinn in einem! Um solche Kampagnen gezielt einzusetzen, muss man zunächst genau wissen, was man will: Ein konkretes Produkt bewerben, oder aber das Profil des eigenen Verlags, der eigenen Buchhandlung schärfen und Reichweite gewinnen. 

Aus der Community, für die Community 

Das eingangs erwähnte Video stammt von der Instagram-Userin Victoria Braunschweig (@lesestress), die damit den vom Rowohlt Verlag auf Social Media ausgeschriebenen Wettbewerb „Ro-Villa“ zur Frankfurter Buchmesse 2024 gewann. Dort erhielten die Ausgewählten nicht nur ein eigenes Zimmer in einer Villa, die vom Verlag zur Verfügung gestellt wurde, sondern waren auch zu exklusiven Veranstaltungen eingeladen. Das Konzept der Kampagne war einfach: Alle Follower*innen des Verlags, die auf Instagram oder TikTok selbst mehr als 2.000 Follower*innen haben, konnten sich mit einem Video auf einen von sieben Plätzen in der „Ro-Villa“ bewerben. Und auch wenn die Zahlen für die einzelnen Videos nicht außergewöhnlich erscheinen, war es die Masse an Einsendungen, die die Kampagne für Rowohlt zum Clou machte: Über 50 Reels wurden allein auf Instagram als Bewerbung geteilt, hinzu kamen Dutzende weitere auf TikTok. So erreichte die „Ro-Villa“-Kampagne über 100.000 Nutzer*innen. Der Verlag wurde also nicht nur einer großen Anzahl an Menschen mit zumeist lustigen Wohlfühl-Videos angezeigt, auch die teilnehmenden Blogger*innen selbst interagieren hier intensiver mit ihm. 

Diejenigen, die ausgewählt wurden, begleiteten anschließend ihren Messebesuch auf Social Media und berichteten über Veranstaltungen und Neuerscheinungen des Verlags. Marketing, das direkt aus der Zielgruppe stammt und dort auch wieder wirkt. Aber Achtung, da gibt es Fallen und Fettnäpfchen: Insbesondere Kampagnen, die so unmittelbar mit der Online-Community interagieren, brauchen maximale Transparenz. Zu Beginn erweckte Rowohlt den Eindruck, als würden alle sieben Villa-Plätze über die Bewerbungsvideos zu gewinnen sein. Später musste der Verlag einräumen, dass nur zwei Plätze im Wettbewerb frei vergeben wurden; die restlichen fünf waren bereits an Großaccounts mit mehreren 10.000 Follower*innen versprochen. Ein solches Verhalten kann den genau gegenteiligen Effekt haben und nicht nur die Kampagne, sondern auch den Verlag in Misskredit bringen. 

Es braucht nicht immer eine Villa 

Es braucht gar nicht immer die große Villa, um mit Social-Media-Kampagnen erfolgreich zu sein. Eine Möglichkeit besonders für kleinere Verlage, Aufmerksamkeit für ihre Titel zu generieren, besteht in dem Versenden von sogenannten Bloggerboxen. Dabei wird nicht nur das eigentliche Buch verschickt, sondern es kommt in einer thematisch dazu zusammengestellten Box. Richtig eingesetzt kann diese Form der Kampagne mit relativ geringem Aufwand hohe Sichtbarkeit für das entsprechende Buch bringen. Wenn Blogger*innen statt dem bloßen Roman ein ganzes Geschenkpaket erhalten, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie darüber auf ihrem Kanal berichten. 

Für den Erfolg einer solchen Box sind einige Dinge zu beachten. Erstens darf der Inhalt der Box nicht zu beliebig sein. Sind es einfach nur billige Wegwerfartikel, ist das nicht nur aus ökologischer Sicht bedenklich, sondern kann auch dazu führen, dass die Wahrnehmung des Buches darunter leidet. Ein Paradebeispiel, wie eine Bloggerbox zum Erfolg beitragen kann, ist Martina Bogdahns Buch „Mühlensommer“ von Kiepenheuer & Witsch. Diese enthielt ein von der Autorin selbst gebackenes Brot. Der Inhalt ist nicht nur ein direkter Bezug zum Roman, die von der Autorin investierte Arbeit spiegelt auch die Wertschätzung für die Blogger*innen wieder. Diese Aktion stach auf Social Media heraus und war mitverantwortlich für den enormen Erfolg des Buches. (Wobei an dieser Stelle darauf hingewiesen sei, dass gerade beim Versand von Lebensmittel Obacht geboten ist – niemand möchte aus dem Urlaub zurückkommen, und ein Paket mit verschimmeltem Brot zu Hause vorfinden).  

Zweitens ist es wichtig, dass solche Boxen mit Augenmaß eingesetzt werden. Viel hilft in diesem Fall nicht immer viel. Als der Eichborn Verlag Rezensionsexemplare für „Yellowface“ von Rebecca F. Kuang verschickte, konnte man dem Cover am Erscheinungstag auf Instagram nicht entkommen. Das hatte zwar zum einen den Effekt eines Massenevents, das auch andere Leser*innen nicht verpassen wollen, zum anderen wirkte es beliebig und das Risiko der Übersättigung besteht. (Kuang hat es am Ende nicht geschadet: Wie Bogdahn war auch sie auf der Spiegel-Bestsellerliste.) Dennoch: Bei solchen Aktionen muss genau abgewogen werden, ob weniger nicht mehr sein kann. Deswegen ist es für Verlage ratsam, die eigenen Blogger-Relations zu pflegen, um einschätzen zu können, für wen welche Titel relevant sind. 

Kreativität und Humor trumpfen alles 

Die Möglichkeiten, sich online zu präsentieren, sind für Buchhandlungen naturgemäß andere als für Verlage. Eine Option der Kundenbindung sind Tippspiele, wie sie die Albatros Buchhandlung aus Bremen anlässlich des Deutschen Buchpreis 2024 durchgeführt hat. Dazu wurde auf der eigenen Homepage eine Seite eingerichtet, auf der man seine Tipps direkt in einer Maske eintragen konnte (denkbar ist auch, so ein Tippspiel direkt über ein einfaches Kontaktformular durchzuführen). Sowohl für die Longlist, die Shortlist und das Gewinnerbuch konnten die Teilnehmenden ihre Tipps abgeben, und wer am Ende die meisten Titel richtig vorhergesagt hat, hat das Gewinnerbuch erhalten. Tippspiele lassen sich mit relativ wenig Aufwand auch größer aufziehen, indem man beispielsweise auch die Tipps der Buchhändler*innen veröffentlicht und dadurch zu Diskussionen und Engagement auf dem eigenen Kanal beiträgt. Als Preis wäre auch ein Büchergutschein denkbar, um so die Teilnehmenden noch enger an das eigene Geschäft zu binden. 

Einem ähnlichen Muster folgen Kampagnen, die über einen längeren Zeitraum laufen und Autor*innen in den Mittelpunkt stellen. Ein positives Beispiel dafür ist die US-amerikanische Literaturvermittlung Dream Baby Press. Auf deren Instagram-Account (@dreambabypress) werden regelmäßig die „10 Things I hate/ 10 things I love“ von bekannten Personen aus dem kulturellen Raum veröffentlicht. Eine Reihe, die inzwischen selbst Kultstatus besitzt. Die Antworten sind kurz, sie passen auf wenige Kacheln, sind lustig und kreativ. Es geht nicht darum, die Lieblingsautorin zu nennen, sondern unerwartete Antworten zu geben, wie Ella Emhoff (Stieftochter von Kamala Harris), die feststellt: Ich liebe es, wenn die Lippen meines Hundes an seinem Kaugummi festkleben. Solche Kampagnen funktionieren aber nur, wenn sie langfristig angelegt sind und damit eine feste Bindung der Nutzer*innen ermöglichen. Dafür ist es entscheidend diesen Content regelmäßig und in wiedererkennbarerem Design auszuspielen. Und solche Maßnahmen müssen sich etwas trauen: Die x-te „Nennen Sie drei Bücher, die Sie bewegen“-Liste wird sicherlich keine große Online-Resonanz hervorrufen. 

Gemeinsam ist man stärker – und sichtbarer 

Besonders große Reichweite können Kampagnen erlangen, bei denen sich verschiedene Akteure zusammenschließen und gemeinsame gesellschaftliche Ziele verfolgen. So hat die Edel-Verlagsgruppe mit ihren Autor*innen 2021 die Aktion #SolidaritätBuchhandel gestartet, bei der Prominente online dazu aufgerufen haben, Bücher auch während der Lockdowns im stationären Buchhandel zu kaufen. Die Posts dieser Kampagne wurden millionenfach angeklickt. Auch das Aktionsbündnis #VerlageGegenRechts kann man als eine Social-Media-Kampagne verstehen. Ausgangspunkt war die Präsenz rechtsextremer Verlage auf der Leipziger Buchmesse 2016, gegen die eine Gruppe vor allem unabhängiger Verlage protestieren wollte. Um die gemeinsame Position zu verstärken, taten sie sich auf Social Media unter dem genannten Hashtag zusammen. Zwar erfordert diese Form der Kampagne ein hohes Maß an Planung und Organisation, aber die Beispiele zeigen, dass man damit nicht nur Reichweite ausbauen kann, sondern auch das eigene Profil schärft. Diese beiden Beispiele zeigen, dass es nicht zwingend ein großes Marketingbudget braucht, um auch medial Aufmerksamkeit zu erregen. Einfallsreichtum, die Leidenschaft für das Thema und der Mut sich mit Gleichgesinnten zusammenzutun, um neue Wege zu betreten, sind am Ende entscheidend für den Erfolg der eigenen Kampagnen. 

Autor: Daniel Stähr


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