§ 6 Abs. 1 BuchPrG schreibt vor, dass Verlage Buchhandlungen angemessene Konditionen einräumen müssen. Dabei darf sich der Rabatt nicht allein an dem mit dem Buchhändler erzielten Umsatz ausrichten. Vielmehr muss auch der Beitrag der Händler zur flächendeckenden Versorgung mit Büchern und deren buchhändlerischer Service Berücksichtigung finden. Die betriebswirtschaftliche Überlegung, Händlern mit besonders hohen Umsätzen entsprechend hohe Rabatte einzuräumen, findet daher ihre Grenze am kulturpolitischen Ziel des Gesetzes. Dieses will den Buchhandel auch abseits der Ballungsgebiete in strukturschwachen Gebieten möglich machen und kleinere Buchhandlungen mit geringeren Umsatzzahlen gegenüber großen Buchhandlungen nicht benachteiligen.
Was genau unangemessene Konditionen sind, lässt sich nur am konkreten Fall entscheiden. Ein Rabatt von zum Beispiel 15 % kann unangemessen sein, muss es aber nicht.
Beispiel: Bei der Abnahme von bis zu fünf Büchern (gebundener Ladenpreis z. B. 29 Euro) erhält der Buchhändler einen Rabatt von 15 %. Bei zunehmender Abnahme steigert sich dieser Rabatt auf bis zu 36 % bei der Abnahme von 51 bis 150 Büchern. Sowohl der Eingangsrabatt von 15 % als auch die Steigerung um mehr als die Hälfte verglichen zum Höchstrabatt von 36 % (Spreizung) sind nur an der Bestellmenge gemessen und benachteiligen kleinere Buchhandlungen unangemessen.
Beispiel: Ein Rabatt von 15 % kann im Einzelfall aber auch angemessen sein, z. B. beim Fortsetzungsbezug von Updates/Ergänzungslieferungen im Fachbuchbereich. Hier ist der Verkauf des entsprechenden Grundwerks die vertriebliche Hauptleistung der Buchhandlung, die entsprechend höher rabattiert werden muss. Da der Kunde am Bezug der Updates in der Regel ein Eigeninteresse hat, kann ein reduzierter Rabatt bei den Folgeleistungen in Verbindung mit relativ hohen Einzelpreisen angemessen sein.
Beispiel: Ein Grundrabatt nach Bestellmengen klassischer Schulbücher und Zusatzrabatt für buchhändlerischen Vollservice beim übrigen Verlagsprogramm können ein angemessenes Konditionengefüge von Schulbuchverlagen sein. Bestellmengen und Titelwahl bei Schulbuchaufträgen liegen nicht im Einflussbereich der Buchhandlung, sondern werden von der Schule bestimmt. Dagegen liegt es im Interesse des Verlages, dass sich eine Buchhandlung im Nachmittagsmarkt bei Lernhilfen stark engagiert, und dieses kann von der Buchhandlung selbst beeinflusst werden.
Fazit: Der Gesetzgeber hat bewusst keinen bestimmten Mindestrabatt benannt. Dieser ergibt sich nur im Einzelfall und in Verbindung von Prozentsatz, Preis und ggf. anderen Konditionenbestandteilen. Der Eingangsrabatt (Abnahme von einem Buch) im hochpreisigen wissenschaftlichen Fachbuchbereich kann mit 20 % schon angemessen sein, während es im Taschenbuchbereich eher 25 % sind.
§ 6 Absatz 2 BuchPrG zielt darauf ab, einen leistungsfähigen Zwischenbuchhandel und Sortimentsbuchhandel zu sichern. Es steht Verlagen frei, nach Belieben auch branchenfremde Zwischenhändler oder Letztverkäufer zu beliefern. Dies darf jedoch nicht zu günstigeren Preisen oder Konditionen geschehen als gegenüber dem Buchhandel im engeren Sinne.
Branchenfremd im Sinne des BuchPrG sind Unternehmen, die dem Bereich der Nebenmärkte zuzuordnen sind, z. B. Papier-, Büro- und Schreibwarenhandlungen, Fachgeschäfte anderer Branchen, aber auch Billigmarktketten, Super- oder Lebensmittelmärkte.
Wie durch § 6 Absatz 1 BuchPrG festgelegt, muss bei der Festsetzung von Konditionen durch Verlage der gesamte buchhändlerische Service einer Buchhandlung angemessen berücksichtigt werden. Eine Orientierung nur am Umsatz ist nicht gerechtfertigt. Es ist nur konsequent, dass Branchenfremde daher keine besseren Konditionen erhalten dürfen als Buchhandlungen. Denn sie bieten nicht den gleichen fachlichen Service, der bei Buchhandlungen üblich ist, z. B. die Sortimentstiefe und -breite die Bestellung fast aller lieferbarer Titel oder die Beratung. Das Benachteiligungsverbot gilt gerade, wenn Branchenfremde Titel in hoher Stückzahl abnehmen.
Beispiel: Die im bundesweiten Filialnetz eines Lebensmittelmarktes angebotenen aktuellen Bestseller sind ausnahmslos reine „Mitnahmeartikel“. Sie bedürfen keiner irgendwie gearteten Serviceleistung; Verkaufspersonal zur Beratung ist nicht vorhanden.
Beispiel: Ein Verlag für Landkarten beliefert einen Mineralölkonzern mit großem Tankstellennetz als Wiederverkäufer zu einem Rabatt, der weit höher ist als der dem Buchhandel gewährte. Auch hier wird nicht die im Buchhandel übliche Vielfalt an unterschiedlichem Kartenmaterial inklusive Bestellservice geboten.
In beiden Fällen rechtfertigt die hohe Abnahmemenge nicht günstigere Konditionen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass durch Verlagerung wirtschaftlich besonders interessanter Geschäfte auf branchenfremde Unternehmen die Existenzgrundlage des Buchhandels auf Dauer ausgehöhlt wird.
§ 6 Abs. 2 gilt für den Fall, dass ein Verlag den Buchhandel und Branchenfremde mit Büchern beliefert. Ungeachtet dieser Vorschrift dürfen Verlage ihre Vertriebs- und Absatzkanäle auch künftig frei bestimmen. So muss ein Verlag, der Ratgeberliteratur durchgängig über Naturkostläden absetzt, den Sortimentsbuchhandel auch in Zukunft nicht in sein Absatzsystem einbeziehen. Wenn er es aber tut, dann müssen die gleichen Bedingungen gelten.
Die „Meistbegünstigungsklausel“ des § 6 Absatz 3 honoriert die besondere Bedeutung des Barsortiments bei der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit dem Kulturgut Buch (Zweck des Gesetzes, § 1 BuchPrG)
Großbuchhandlungen haben ausreichende Lagerkapazität, Liquidität und Bestellvolumen, um ein umfangreiches Sortiment direkt bei Verlagen zu beziehen. Kleine Buchhandlungen, gerade in strukturschwachen Gebieten, sind auf schnelle Lieferung auch geringerer Mengen angewiesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. In aller Regel können oder wollen die Verlage diese Versorgung nicht selbst sicherstellen. Sie beziehen deshalb Barsortimente in ihr Vertriebssystem ein, die den Buchhandel innerhalb kürzester Zeit mit einem breiten Titelangebot beliefern können.
Aufgrund dieser wichtigen Funktion sollen Barsortimente dann aber auch vor Maßnahmen, die ihre Funktionsfähigkeit und dementsprechend die flächendeckende Versorgung mit Büchern gefährden, geschützt werden. Eine solche, zumindest langfristige Gefährdung ist gegeben, wenn Verlage bestimmten, lukrativen Bucheinzelhändlern beim Direktbezug bessere Konditionen einräumen als den Barsortimenten. § 6 Absatz 3 BuchPrG beugt einem solchen Verhalten vor.
Was sind „schlechtere Konditionen“? Wird einem Barsortiment für die gleiche Menge gelieferter Titel eines Verlages ein Rabatt von 40 % eingeräumt, während eine Buchhandlung 42 % erhält, handelt es sich um schlechtere Konditionen.
Beispiel: Setzen sich die 42 % der Buchhandlung aber zusammen aus 37 % Regelrabatt und 5 % Sonderrabatt, kann das eine Ausnahme von § 6 Absatz 3 rechtfertigen. Der Sonderrabatt kann z. B. gegeben werden, weil die Buchhandlung auf eigene Kosten Kundenbetreuer für Unternehmen und Behörden einsetzt, die daraufhin vermehrt Titel des betroffenen Verlages beziehen. Denn besonders kostspielige, über typischen Service des Sortiments hinausgehende Vertriebsleistungen dürfen von Verlagen auch besonders honoriert werden.
Beispiel: Erhält die Buchhandlung die 5 % Sonderrabatt dagegen für besonderen Einsatz beim Verkauf von Novitäten im Ladengeschäft, durch Positionierung im Schaufenster oder Aufsteller, stellt das in der Regel keine außergewöhnliche Vertriebsleistung dar. Dies gehört zum üblichen Service einer engagierten Buchhandlung. Eine Überschreitung des Barsortimentsrabatts wäre dadurch nicht gerechtfertigt.
Die den Barsortimenten vom Gesetzgeber auferlegte und durch § 6 Absatz 3 geschützte Schlüsselfunktion bringt aber auch Verpflichtungen mit sich. Das Barsortiment darf nicht willkürlich wichtige Titel oder ganze Verlagsprogramme aus seinem Angebot streichen oder deren Aufnahme verweigern. Um der flächendeckenden Versorgung des Buchhandels gerecht zu werden, wird auch eine „hochgradige Listung“ der lieferbaren Titel erwartet.