Diese Verordnung ist auf Produkte im Sinne des § 1 Absatz 2 des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes und Dienstleistungen im Sinne des § 1 Absatz 3 des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes anzuwenden.
(1) Bei der Erfüllung der Anforderungen nach dieser Rechtsverordnung ist der Stand der Technik zu beachten. Von dem Stand der Technik kann abgewichen werden, wenn auf andere Weise die Anforderungen dieser Rechtsverordnung in gleichem Maße erfüllt werden.
(2) Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit veröffentlicht auf ihrer Website regelmäßig:
- eine Auflistung der wichtigsten zu beachtenden Standards, aus denen die Barrierefreiheitsanforderungen für die in § 1 genannten Produkte und Dienstleistungen detailliert hervorgehen,
- Konformitätstabellen, die einen Überblick zu den wichtigsten Barrierefreiheitsanforderungen für die in § 1 genannten Produkte und Dienstleistungen geben und
- aktuelle Informationen zu den zu beachtenden Standards.
(1) Informationen zur Nutzung des Produkts auf dem Produkt selbst, wie die Kennzeichnungen, die Gebrauchsanleitung und die Warnhinweise müssen
- über mehr als einen sensorischen Kanal zur Verfügung gestellt werden,
- in verständlicher Weise dargestellt werden,
- den Verbrauchern auf eine Weise dargestellt werden, die sie wahrnehmen können und
- in einer Schriftart mit angemessener Größe und mit geeigneter Form unter Berücksichtigung des vorhersehbaren Nutzungskontexts und mit ausreichendem Kontrast sowie anpassbaren Abständen zwischen den Buchstaben, Zeilen und Absätzen dargestellt werden.
(2) Informationen zu den Barrierefreiheitsfunktionen des Produkts, deren Aktivierung und deren Interoperabilität mit assistiven Technologien sowie Informationen zur Nutzung des Produkts, die nicht auf dem Produkt selbst angegeben sind, sondern bei der Nutzung des Produkts oder auf anderem Wege, beispielsweise über eine Webseite, bereitgestellt werden, sind bei Inverkehrbringen des Produkts öffentlich verfügbar und müssen
- über mehr als einen sensorischen Kanal zur Verfügung gestellt werden,
- für den Verbraucher auffindbar sein,
- in verständlicher Weise dargestellt werden,
- den Verbrauchern auf eine Weise dargestellt werden, die sie wahrnehmen können,
- in einer Schriftart mit angemessener Größe und mit geeigneter Form unter Berücksichtigung des vorhersehbaren Nutzungskontexts und mit ausreichendem Kontrast sowie anpassbaren Abständen zwischen den Buchstaben, Zeilen und Absätzen dargestellt werden,
- hinsichtlich ihres Inhalts in Textformaten zur Verfügung gestellt werden, die sich zum Generieren alternativer assistiver Formate eignen, die in unterschiedlicher Art dargestellt werden und über mehr als einen sensorischen Kanal wahrgenommen werden können,
- von einer alternativen Darstellung jeglichen nicht-textlichen Inhalts begleitet werden,
- eine Beschreibung der Benutzerschnittstelle des Produkts, wie Handhabung, Steuerung und Rückmeldung, Eingabe und Ausgabe enthalten, wobei die Beschreibung die in § 6 aufgezählten Voraussetzungen erfüllen muss; dabei muss in der Beschreibung jeweils angegeben werden, ob das Produkt die in § 6 genannten Bestandteile, Funktionen und Merkmale aufweist,
- eine barrierefreie Beschreibung der Produktfunktionalität enthalten und dabei die in § 6 aufgezählten Voraussetzungen erfüllen; dabei muss in der Beschreibung jeweils angegeben werden, ob das Produkt die in § 6 genannten Bestandteile, Funktionen und Merkmale aufweist und
- eine Beschreibung der Soft- und Hardwareschnittstelle des Produkts mit Hilfsmitteln enthalten, wobei die Beschreibung auch eine Liste derjenigen Hilfsmittel enthält, die zusammen mit dem Produkt getestet wurden.
(3) Die Informationen nach Absatz 1 und Absatz 2 sind, soweit es möglich ist, in oder auf dem Produkt selbst anzugeben.
Die Verpackungen und Anleitungen der Produkte, mit Ausnahme von Selbstbedienungsterminals im Sinne des § 1 Absatz 2 Nummer 2 Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, müssen folgende Anforderungen erfüllen:
- die Informationen zur Produktverpackung, wie etwa zum Öffnen, zum Schließen, zur Verwendung oder zur Entsorgung, sowie, sofern bereitgestellt, die Informationen über die Barrierefreiheitsmerkmale des Produkts, müssen die Anforderungen des § 4 Absatz 1 erfüllen, wobei all diese Informationen auf der Verpackung angebracht werden müssen, soweit dies aufgrund der Größe oder der Art der Verpackung möglich ist und
- die Anleitungen zur Installation und Wartung, Lagerung und Entsorgung, die nicht auf dem Produkt selbst angebracht sind, sondern auf anderem Wege, beispielsweise über eine Webseite, bereitgestellt werden, müssen bei Inverkehrbringen des Produkts öffentlich zugänglich sein und den folgenden Anforderungen genügen:
a) sie werden über mehr als einen sensorischen Kanal zur Verfügung gestellt;
b) sie sind für den Verbraucher auffindbar;
c) sie werden in verständlicher Weise dargestellt;
d) sie werden den Verbrauchern auf eine Weise dargestellt, die sie wahrnehmen können;
e) sie werden in einer Schriftart mit angemessener Größe und mit geeigneter Form unter Berücksichtigung des vorhersehbaren Nutzungskontexts und mit ausreichendem Kontrast sowie anpassbaren Abständen zwischen den Buchstaben, Zeilen und Absätzen dargestellt;
f) der Inhalt der Anleitungen wird in Textformaten zur Verfügung gestellt, die sich zum Generieren alternativer assistiver Formate durch den Verbraucher eignen, die auf unterschiedliche Art dargestellt und über mehr als einen sensorischen Kanal wahrgenommen werden können;
g) es wird eine alternative Darstellung angeboten, wenn Elemente nicht-textlichen Inhalts enthalten sind.
(1) Das Produkt, einschließlich seiner Benutzerschnittstelle, muss Bestandteile, Funktionen und Merkmale enthalten, die es Menschen mit Behinderungen ermöglichen, auf das Produkt zuzugreifen, es wahrzunehmen, zu bedienen, zu verstehen und zu steuern.
(2) Das Produkt muss
- 1) Kommunikation, einschließlich zwischenmenschlicher Kommunikation, Bedienung, Information, Steuerung und Orientierung, über mehr als einen sensorischen Kanal ermöglichen, soweit es Kommunikation anbietet; das schließt auch die Bereitstellung von Alternativen zu visuellen, auditiven, gesprochenen und taktilen Elementen ein,
- 2) bei Verwendung von gesprochener Sprache: Alternativen zur gesprochenen Sprache und zur stimmlichen Eingabe für die Kommunikation, Bedienung, Steuerung und Orientierung zur Verfügung stellen,
- 3) bei Verwendung visueller Elemente:
- a) eine flexible Einstellung der Größe, der Helligkeit und des Kontrastes für die Kommunikation, Information und Bedienung sowie zur Gewährleistung der Interoperabilität mit Programmen und Hilfsmitteln zur Navigation in der Schnittstelle ermöglichen und
- b) für die Verbesserung der visuellen Klarheit flexible Möglichkeiten zur Verfügung stellen,
- 4) Alternativen zu Farben zur Verfügung stellen, wenn mittels Farben Informationen mitgeteilt werden, über eine Handlung informiert wird, zu einer Reaktion aufgefordert wird oder Elemente gekennzeichnet werden,
- 5) Alternativen zu hörbaren Signalen zur Verfügung stellen, wenn mittels hörbarer Signale Informationen mitgeteilt werden, über eine Handlung informiert wird, zu einer Reaktion aufgefordert wird oder Elemente gekennzeichnet werden,
- 6) bei der Verwendung von Audio-Elementen
- a) es dem Verbraucher ermöglichen, die Lautstärke und Geschwindigkeit zu regeln und
- b) erweiterte Audiofunktionen, wie die Verringerung von störenden Audiosignalen von Geräten in der Umgebung und auditive Klarheit, zur Verfügung stellen,
- 7) bei zwingend erforderlicher manueller Bedienung und Steuerung
- a) sequenzielle Steuerung und Alternativen zur feinmotorischen Steuerung zur Verfügung stellen, um eine gleichzeitige Bedienung mit Handgriffen zu vermeiden und
- b) taktil erkennbare Teile verwenden,
- 8) Bedienungsformen, die eine erhebliche Reichweite und großen Kraftaufwand erfordern, vermeiden,
- 9) das Auslösen fotosensitiver Anfälle vermeiden,
- 10) bei Nutzung der Barrierefreiheitsfunktionen durch den Verbraucher dessen Privatsphäre schützen,
- 11) Alternativen zur biometrischen Identifizierung und Steuerung anbieten,
- 12) die Konsistenz der Funktionalitäten wahren, und ausreichend Zeit und eine flexible Zeitmenge für die Interaktionen zur Verfügung stellen und
- 13) Software und Hardware für Schnittstellen zu den assistiven Technologien aufweisen.
E-Book-Lesegeräte müssen mit Sprachausgabe ausgestattet sein.
Damit Dienstleistungen die Anforderungen des § 3 Absatz 1 Satz 2 Barrierefreiheitsstärkungsgesetz erfüllen, müssen
1) Produkte im Sinne des § 1 Absatz 2 des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes, die zur Erbringung der Dienstleistung verwendet werden, die Anforderungen der §§ 4 und 6 bis 11 und, soweit anwendbar, die Anforderungen des § 5 erfüllen,
2) die Bereitstellung von Informationen über die Funktionsweise der Dienstleistung sowie für den Fall, dass für die Erbringung der Dienstleistung Produkte verwendet werden, die Bereitstellung von Informationen über die Verbindung der Dienstleistung zu diesen Produkten sowie über die Barrierefreiheitsmerkmale und die Interoperabilität dieser Produkte mit assistiven Technologien folgende Anforderungen erfüllen:
- a) die Informationen werden über mehr als einen sensorischen Kanal bereitgestellt,
- b) sie sind für den Verbraucher auffindbar,
- c) sie werden in verständlicher Weise dargestellt,
- d) sie werden den Verbrauchern auf eine Weise dargestellt,
- e) die sie wahrnehmen können,
- f) sie werden in einer Schriftart mit angemessener Größe und mit geeigneter Form unter Berücksichtigung des vorhersehbaren Nutzungskontexts und mit ausreichendem Kontrast sowie ausreichenden Abständen zwischen den Buchstaben, Zeilen und Absätzen dargestellt,
- g) es wird eine alternative Darstellung des Inhalts angeboten, wenn Elemente nicht-textlichen Inhalts enthalten sind,
- h) die für die Erbringung der Dienstleistung erforderlichen digitalen Informationen werden auf konsistente und angemessene Weise bereitgestellt, indem sie wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet werden,
3) Webseiten, einschließlich der zugehörigen Online-Anwendungen und auf Mobilgeräten angebotenen Dienstleistungen, einschließlich mobiler Apps, auf konsistente und angemessene Weise wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet werden und
4) im Fall der Verfügbarkeit von Unterstützungsdiensten wie Help-Desk, Call-Center, technische Unterstützung, Relaisdienste und Schulungsdienste diese die Informationen über die Barrierefreiheit und die Kompatibilität der Dienstleistung mit assistiven Technologien mit barrierefreien Kommunikationsmitteln bereitstellen.
Damit Menschen mit Behinderungen die Dienstleistungen der §§ 14 bis 19 in größtmöglichem Umfang nutzen können, müssen diese Dienstleistungen Funktionen, Vorgehensweisen, Strategien und Verfahren sowie Änderungen bei der Ausführung vorsehen, die auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen ausgerichtet sind und die Interoperabilität mit assistiven Technologien gewährleisten.
(1) Funktionen, die die Gestaltung und Herstellung von Produkten sowie die Erbringung von Dienstleistungen betreffen und für die keine Anforderungen in den §§ 4 bis 19 aufgestellt werden, gelten als barrierefrei, wenn sie die Anforderungen an die funktionalen Leistungskriterien und -fähigkeiten der Nutzer im Sinne des § 21 erfüllen.
(2) Soweit die in den §§ 4 bis 19 festgelegten Anforderungen eine spezifische technische Anforderung enthalten, dürfen die funktionalen Leistungskriterien nur dann als Alternative zu dieser technischen Anforderung zur Anwendung kommen, wenn
- die übrigen Anforderungen in den §§ 4 bis 19 erfüllt werden und
- die Anwendung der funktionalen Leistungskriterien dazu führt, dass die Gestaltung und Herstellung eines Produktes oder die Erbringung einer Dienstleistung in einer entsprechenden oder besseren Barrierefreiheit resultiert.
(1) Wenn das Produkt oder die Dienstleistung visuelle Bedienungsformen bietet, muss
- mindestens eine Bedienungsform vorhanden sein, die eine Nutzung bei fehlendem Sehvermögen ermöglicht,
- mindestens eine Bedienungsform vorhanden sein, die eine Nutzung bei eingeschränktem Sehvermögen ermöglicht und
- mindestens eine Bedienungsform vorhanden sein, die keine Farbunterscheidung erfordert.
(2) Wenn das Produkt oder die Dienstleistung auditive Bedienungsformen bietet, muss
- mindestens eine Bedienungsform vorhanden sein, die kein Hörvermögen erfordert und
- mindestens eine Bedienungsform mit erweiterten Audiofunktionen vorhanden sein, die die Nutzung bei eingeschränktem Hörvermögen ermöglicht.
(3) Wenn für das Produkt oder die Dienstleistung eine stimmliche Eingabe des Nutzers erforderlich ist, muss mindestens eine Bedienungsform vorhanden sein, die keine stimmliche Eingabe erfordert. Als stimmliche Eingabe gelten auch orale Laute wie Sprechen, Pfeifen oder Schnalzen.
(4) Wenn das Produkt oder die Dienstleistung manuell bedient werden muss, muss mindestens eine Bedienungsform vorhanden sein, die die Nutzung mithilfe anderer Bedienungsformen ermöglicht, welche keine feinmotorische Steuerung und Bedienung, Handmuskelkraft oder gleichzeitige Bedienung von mehr als einem Bedienelement erfordern.
(5) Die Bedienelemente des Produkts müssen sich in der Reichweite aller Nutzer befinden. Wenn das Produkt oder die Dienstleistung manuelle Bedienungsformen bietet, muss mindestens eine Bedienungsform vorhanden sein, die die Bedienung bei eingeschränkter Reichweite und Kraft ermöglicht.
(6) Wenn das Produkt visuelle Bedienungsformen bietet, sind fotosensitive Anfälle auslösende Bedienungsformen zu vermeiden.
(7) Das Produkt oder die Dienstleistung muss mit mindestens einer Bedienungsform ausgestattet sein, die Funktionen umfasst, die die Nutzung bei kognitiven Einschränkungen erleichtern und vereinfachen.
(8) Wenn das Produkt oder die Dienstleistung Funktionen umfasst, die der Barrierefreiheit dienen, muss mindestens eine Bedienungsform vorhanden sein, mit der die Privatsphäre der Nutzer bei Verwendung dieser Barrierefreiheitsfunktionen gewahrt ist.