Meine Woche mit Jane (Austen)
"Witz und Verstand" oder "What Would Jane Do?" - Eine literarische Reise!
Erstellt am 10.02.2025
Ein Beitrag von Carina Fricke
Für das Leben der bekannten britischen Schriftstellerin sind mir auf meiner letzten Englandreise viele Titel eingefallen und doch bleibt ihr Leben, das so gefüllt war mit Talent und Menschengefühl, mit Schwesternschaft und Humor, so reich und komplex, dass ich nie wagen würde, mich für einen zu entscheiden.
Unsere Reise beginnt in Chawton, einem kleinen Dorf auf dem britischen Land, nicht weit von London. Jane Cassandra Austen hat hier in einem kleinen Cottage an der Winchester Road all ihre sechs bekannten Romane: „Stolz und Vorurteil“, „Überredung“, „Northanger Abbey“, „Mansfield Park“, „Sinn und Sinnlichkeit“ und „Emma“, beendet oder gar ganz geschrieben.
Es ist ein glücklicher Ort voller Farben und Harmonie, Ruhe und guter Laune. Die bunten Tapeten - zwar handgedruckte Replikate, jedoch den Originalen nachempfunden - lassen die Zimmer im Cottage an der Winchester Road strahlen. Die weiße Wäsche, ob Bettbezüge, Tischdecken oder Gardinen, sorgen für Frische und freie Gedanken. Durch die Fenster sieht man geradewegs in den Garten, der im sonnigen März bereits zum Verweilen und Teetrinken einlädt. Überall, so kommt es mir vor, spürt man die Jane, die so manches Mal durch ihre Heldinnen blitzt. Sei es nun die kluge, scharfzüngige Elizabeth Bennet oder die so liebenswürdige und romantische Anne Elliot. Sie alle vereint ein Charme, der an diesem Ort allgegenwärtig scheint.
Und wie war das Leben hier draußen geprägt von Liebe. Zwar nicht von der romantischen Liebe, die in Austens Werken immer das höchste Ziel der Protagonistinnen ist, aber der schwesterlichen Liebe, der zwischen Frauen, die gemeinsam das Leben bestreiten, das auch ohne Ehemann gut zu ihnen sein kann. In Chawton lebte Jane mit ihrer Mutter, ihrer Schwester Cassandra und Martha Lloyd, einer treuen Freundin der Familie. Besonders zwischen Cassandra und Jane bestand eine tiefe Verbindung, sie waren engste Vertraute. Ihre Mutter sagte einmal: „If Cassandra's head had been going to be cut off, Jane would have hers cut off too”, so eng waren die beiden verbunden. Während Cassandra im Haus viele Haushaltstätigkeiten übernahm, um Jane Zeit für ihr Schriftstellerinnendasein zu geben, war diese unendlich dankbar und vererbte ihrer Schwester ihr nicht unbeträchtliches Lebenswerk.
Verlobt war Jane Austen selbst für haargenau zwölf Stunden. Sie nahm an einem Abend den Antrag von Harris Bigg-Wither an, warf sich in der Nacht jedoch unruhig von rechts nach links und löste die Verlobung am nächsten Morgen wieder auf. So sehr sich Austens Heldinnen auch nach der Liebe verzehren, sie erleben, wiederfinden und festhalten wollen, so verzehrte sich Jane Austen doch nie nach einem Mann und wenn doch, dann bekam sie nicht das Happy End, dessen sich ihre Heldinnen doch immer sicher sein durften.
Wenn man die Jane Austen treffen möchte, die in Chawton gelebt hat und dort wohl so glücklich und produktiv war wie nirgends sonst in ihrem Leben, ist „Jane Austen Home“ von Lucy Worsley genau die richtige Lektüre: ein Buch so fein und spitz und humorvoll wie Jane höchstselbst.
In Bath war Janes Leben geschäftiger: Sie besuchte Bälle und vergleichbare Gesellschaften, prominierte an den beeindruckenden Gebäuden der Crescent Road entlang und traf sich mit Freundinnen zum Tee. Es ist davon auszugehen, dass die Zeit in Bath Jane nachhaltig beeindruckt hat, spielen doch „Northanger Abbey“ und „Persuasion“ zu einem nicht unbeträchtlichen Teil in dieser beschaulichen, gutmütigen Stadt.
Das Jane Austen Centre ist das Herz jeder Bathreise für Austen-Fans. Zum einen lassen sich im obersten Stock hervorragende Tea Times einnehmen (kleiner Tipp: auch zum Frühstück!), zum anderen führen Austens Charaktere höchst selbst die Besucher*innen in das Leben der Schriftstellerin ein und begleiten durch die kleine Porträtgalerie im Erdgeschoss. Am Ende der Ausstellung besteht die Möglichkeit, sich in Regency-Kleider zu hüllen und mit Mr Darcy, natürlich im geschichtsträchtigen weißen Unterhemd – Danke Colin Firth – vor der Kulisse von Pemerbly zu posieren. Kleiner Tipp von mir: nicht zu sehr anfassen, die Puppe kann umfallen (ist mir natürlich nicht passiert, wie kommt ihr denn darauf?!).
Um Jane Austen auch in London Tribut zu zollen, bietet sich ein Besuch der National Portrait Gallery an. Hier hängt das wohl einzige tatsächliche Abbild Jane Austens, gezeichnet von ihrer Schwester Cassandra, einer versierten und begabten Künstlerin. Die Bleistiftzeichnung ist tatsächlich nicht fertiggestellt, da Cassandra von ihrer Nichte Fanny ermahnt wurde, Janes Schönheit zu schmälern und daraufhin den Bleistift zur Seite legte. Derzeit ist das Portrait nicht in der National Portrait Gallery ausgestellt, sondern befindet sich „im Urlaub“ im Archiv, wo es, so versicherte uns der Museummitarbeiter, gehegt und gepflegt würde, wir sollten uns keine Sorgen machen. Sehr beruhigend…
Was wir von Jane Austen lernen können? „Nein“ zu sagen. „Nein“ zur Liebe, die man eigentlich nicht möchte und damit auch zu gesellschaftlichen Erwartungen. Wer weiß, ob wir überhaupt eins von Jane Austens Büchern heute in den Händen halten würden, wenn sie sich auf Harris Bigg-Wither eingelassen hätte. Trotzdem eine der größten Expertinnen romantischer Liebe zu werden, die es jemals gegeben hat (dead & alive), ist ziemlich cool, oder?
Liebe kann auf so viele Arten erfahrbar werden – durch eine Schwester, eine wirklich gute Freundin, dadurch etwas zu tun, das man wahrhaftig liebt. Und Jane Austen durfte all das und noch viel mehr Liebe in ihrem Leben erfahren. Denn Liebe ist mehr als ein „Ja, ich will“, es ist das Kratzen von Graphit auf Papier, der Tee mit Martha auf dem Sofa, die Ruhe und das Blöken der Schafe auf dem englischen Land, die Schwester, für die man sich enthaupten lassen würde.
Und noch eine Sache habe ich von Jane Austen gelernt: Man darf auch mal rotzig und frech sein, vor allem dann, wenn der Prince Regent von England (zu Janes Zeiten George der III.) den Auftrag erteilt, ihm sein neustes Buch zu widmen und man davon nun wirklich rein gar nichts hält. Was es damit auf sich hat, könnt ihr in der Widmung von „Emma“ nachlesen!
Orte, die Austen-Fans sich merken sollten:
Chawton: Jane Austen’s House (inkl. Garten & Gift Shop) & ein anschließender Besuch bei Cassandras Cup gegenüber, Winchester Road, Chawton (Alton)
Bath: Jane Austen Centre (inkl. Gift Shop) & ein Besuch im Regency Tea Room, Crescent Road (Kulisse aus Persuasion), The Pump Room (Kulisse aus Northanger Abbey)