Newsletter: Rückkehr des Klassikers
Ein verlorengeglaubtes Medium erlebt sein Comeback: Seit einigen Jahren ist es wieder en vogue, Newsletter zu verschicken. Das hat einige Vorteile. | Ein Beitrag des Börsenvereins
Erstellt am 01.09.2024
Wer diesen Artikel liest und jetzt denkt: Moment, Newsletter und Mailings bekomme ich täglich Dutzende, oder aber: Wir verschicken doch längst schon einen Newsletter!, dem sei gesagt: Es geht in diesem Fall nicht um konventionelle Werberundmails, sondern um kuratierte Newsletter mit konkreten Informationen und eigens für den Newsletter geschriebenen Texten. Denn dieses Medium, das eigentlich veraltet klingt (waren E-Mails nicht kürzlich noch out?) erlebt seit einigen Jahren ein unerwartetes Comeback, von der auch die Buchbranche profitieren kann.
Newsletter und Mailings werden gerne verschickt, weil sie anders als Beiträge auf Websites oder Posts auf Blogs direkt bei den Adressat*innen landen und dafür auch keinen Umweg über Social-Media-Plattformen machen müssen. Das Problem: Oft werden sie ungelesen gelöscht – wer in der Buchbranche arbeitet, weiß, wie viele dieser E-Mails täglich im eigenen Posteingang landen. Um dafür zu sorgen, dass die Newsletter auch wirklich geöffnet werden, braucht es für die Empfängerseite also einen Anreiz, sprich exklusiven Content, den es nur in diesem Newsletter gibt.
Content gut kuratieren
Dieser Content kann ganz unterschiedlich ausfallen. Damit die Rezipient*innen wissen, worauf sie sich einstellen können, ist es empfehlenswert, jedes Mal einem Schema zu folgen, beispielweise zunächst einen Text, dazu eine Tweet-Empfehlung, eine Song-Empfehlung und dann – und hier sind wir beim werblichen Teil – auf Neuerscheinungen oder aktuelle Lesungen hinzuweisen. Denn klar, nur weil ein Newsletter primär nicht als Werbung dient, heißt es nicht, dass Verlage oder Buchhandlungen frischen Content und Werbung nicht verknüpfen können.
Newsletter bringen Kund*innen und Leser*innen mit Buchhandlung oder Verlag in Kontakt, können dabei helfen, die eigene Marke besser zu definieren (etwa wenn ein junger, urbaner Verlag auch entsprechende Lieder, YouTube-Videos, Memes empfiehlt) und sie dabei gleichzeitig über das Programm zu informieren. Das Ganze ist dank zahlreicher Anbieter ohne oder mit nur geringen Mehrkosten zu leisen.
Allerdings: Der Mehraufwand ist nicht zu unterschätzen, schließlich muss ein Newsletter geschrieben und kuratiert werden. Ein Vorteil, den Privatpersonen haben, ist, dass sich Newsletter teilweise hinter einer Paywall befinden können oder aber dass man zum freiwilligen Abo/Spenden aufrufen kann. Guter, informativer Content, regelmäßige Verschickung und parasoziale Beziehungen sind hier definitiv von Vorteil. (Inwiefern eine Bezahlschranke oder die Bitte um Bezahlabos für Verlage oder Buchhandlungen sinnvoll sind, muss im Einzelfall eruiert werden.)
Zu den größten Anbietern, mit denen sehr einfach Newsletter zusammenstellbar und E-Mail-Listen verwaltbar sind, gehören Substack, Mailchimp, Beehiiv und Revue, wobei sich Substack als Marktführer hervorgetan hat. Dieser Anbieter steht allerdings auch in der Kritik, weil er Newsletter von Rechten und Nazis zulässt. In jedem Fall empfiehlt sich für den Versand von Newslettern aber der Einsatz professioneller E-Mail-Marketing-Software. Vorteile solcher Tools sind neben einem geringeren Spam-Risiko durch den Versand über vertrauenswürdige Server auch Personalisierungs- und individuelle Gestaltungsmöglichkeiten.
Gelungene Beispiele
In den vergangenen Jahren haben im Buch- und allgemein Kulturbetrieb neben Buchhandlungen und Verlage viele Privatpersonen – Bookfluencer*innen, Autor*innen, Journalist*innen – die Vorteile von Newslettern für sich entdeckt; teilweise haben sie konventionelle Blogs ersetzt.
Die zwei bekanntesten Buch-Newsletter im deutschsprachigen Raum sind wohl von Maria-Christina Piwowarski und Magda Birkmann. Piwowarski schreibt in MCP vor allem aus einer persönlichen Sicht, gibt Empfehlungen über Literatur, die sie gelesen hat, wälzt Vorschauen und wählt daraus (für sie) Interessantes aus und weist auf die Veranstaltungen hin, die sie moderiert. Birkmann hat sich auf Literatur von vergessenen Autorinnen (und teils queeren Autor*innen) spezialisiert, die und deren Bücher sie in ihrem unregelmäßig verschickten, aber sehr ausführlichen Newsletter Magda liest. Und liest. Und liest. vorstellt. Ebenfalls interessant sind der (inzwischen selten verschickte) Newsletter von Johannes Franzen namens Kultur & Kontroverse, in dem er sich zunächst einem aktuellen kulturellen Debattenthema widmet und dann zahlreiche Empfehlungen abgibt, und der noch sehr junge Newsletter Nonfiction, in dem Sophie Weigand Sachbücher bespricht.
Einen gelungenen Mix aus selbst kuratierten Inhalten beinhaltet der Literaturkurier der Berliner Buchhandlung Hacker und Presting. Der wöchentlich verschickte Newsletter setzt thematische Schwerpunkte: In einer Vorweihnachts-Edition empfahl das Team beispielsweise besondere Bücher für komplizierte Fälle („Schräge*r Typ*in, leichter Hang zum Schlaumeiern“) und gab so wertvolle Geschenketipps für Kund*innen. Die Buchhandlung nutzt dazu den Literaturkurier-Service von eBuch und Nordbuch, passt den Mantelteil aber mit individuellen Tipps und einem eigenen Logo an die eigenen Kundenbedürfnisse an.
Ein schönes Beispiel eines Verlags-Newsletter, der über reine Information des Programms hinausgeht, war der Newsletter Cheers! von Blumenbar. Er wurde drei Jahre lang mit insgesamt 42 Ausgaben verschickt und eingestellt, als Anvar Čukoski Anfang 2024 von Blumenbar zu Kiepenheuer & Witsch wechselte. Cheers! hatte einen guten Mix aus Konzentration auf das Verlagsprogramm (sprich Werbung), aber auch eine bunte Mischung aus Querverweisen und Gedanken zu allerlei kulturellen Themen wie Podcasts, Ausstellungen, Filmen oder Songs für ein tendenziell jüngeres Publikum, der Zielgruppe des Verlags entsprechend.
Als letzte Empfehlung geht es raus aus der Buchbranche in eine verwandte Sparte: Das ZEITmagazin verschickt wochentäglich den Newsletter Was für ein Tag, der ebenfalls teilweise auf eigene Artikel verweist, aber auch viele Inhalte nur für den Newsletter hat, neben längeren Texte auch Umfragen an die Leser*innen, Tweet-Empfehlungen, vielen Fotos und Einblicke in kulturelle und politische Themen rund um die Welt.
Autorin: Isabella Caldart