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Social Writing: Schreiben als Gemeinschaftsprojekt

Schreiben ist eine einsame Kunst? Von wegen! Dank des Internets kann daraus eine partizipatorische Angelegenheit werden – Social Writing lautet das Stichwort. | Ein Beitrag des Börsenvereins
Erstellt am 20.01.2025


Texte veröffentlichen, Feedback bekommen und dieses direkt einbauen: Social-Writing-Plattformen machen aus der einst passiven Handlung des Lesens eine aktive, die die Grenzlinie zwischen Autor*innen und Leser*innen verschwimmen lässt. Für Verlage, die junge Zielgruppen ansprechen, bieten sich hier viele Kooperationsmöglichkeiten.  

Schreiben ist eine einsame Kunst? Von wegen! Dank des Internets kann daraus eine partizipatorische Angelegenheit werden – Social Writing lautet das Stichwort. Der Name ist Programm: Es handelt sich dabei um Plattformen, auf denen Nutzer*innen – selten professionelle Autor*innen – ihre eigenen Geschichten veröffentlichen beziehungsweise die anderer lesen können. Interaktion spielt dabei eine große Rolle. Die Texte werden kommentiert und bewertet, den Autor*innen gefolgt. Dadurch erhalten die Verfasser*innen sowohl Feedback, das sie einbauen können, als auch Reichweite für ihre Posts – genau wie auf klassischen Social-Media-Plattformen eben. Social Writing bedient eine Nische, erfreut sich gleichzeitig aber großer Beliebtheit. Vor allem Fan-Fiction (also neu erdachte Geschichten, in denen bereits existierende Figuren und Settings verwendet oder abgewandelt werden) wird darauf geteilt – und einige dieser Storys sogar von Verlagen entdeckt, zu Bestsellern gemacht und als Filme adaptiert! 

Ein Überblick 

Im Internet finden sich zahlreiche Plattformen, auf denen man Kurzgeschichten veröffentlichen kann. Zu den Marktführern gehören Wattpad (seit 2006), FanFiction.net (seit 1998; die Partner-Website FictionPress funktioniert genauso, erlaubt aber kein Fan-Fiction) und Archive of Our Own, oft abgekürzt als AO3 (seit 2009). Diese Plattformen sind vom Prinzip her vergleichbar. Es handelt sich um Online-Communitys, in denen die eigenen Geschichten oder Gedichte geteilt und mit anderen diskutiert werden können; viele Anbieter haben auch Schreibchallenges und -wettbewerbe und/oder kooperieren mit Verlagen oder Filmstudios. Und sie sind populär: Auf allen größeren Social-Writing-Websites sind Hunderttausende, teils Millionen von User*innen aktiv und viele Millionen Geschichten veröffentlicht. 

Wattpad etwa, von den drei Beispielen die mit Abstand professionellste Plattform, was Websiten-Design, Nutzerfreundlichkeit und Kooperationen mit externen Branchengrößen aus der Publishing-Industrie betrifft, hat eigenen Angaben zufolge 97 Millionen monatliche Nutzer*innen, sowohl passive (Leser*innen) als auch aktive (Schreibende). Stolze 92 Prozent von ihnen sind aus der Demografie der Millennials und Gen Z, also nach 1980 Geborene, ein Großteil ist weiblich, und die User*innen verbringen pro Session rund eine Stunde auf Wattpad. 

Erfolgsstorys auf Wattpad 

Gerade für unbekannte Autor*innen kann Wattpad ein Sprungbrett sein; mehr als 1.000 Storys wurden bereits in Verlagen veröffentlicht oder verfilmt. Das ist einerseits eine unglaublich hohe Zahl, im Verhältnis zu den bisher auf Wattpad publizierten Geschichten (die Angaben variieren, aber es ist im dreistelligen Millionenbereich) ist das wiederum sehr wenig Für Verlage bietet sich hier aber eine schier unbegrenzte Materialsammlung. Gute Autor*innen machen beispielsweise an einem der zahlreichen plattforminternen Schreibwettbewerbe auf sich aufmerksam. Oder man wirft einen Blick auf die sogenannten Wattpad Picks, für die die Wattpad-Redakteur*innen handverlesen die populärsten und besten Geschichten auswählen. Allerdings: Auf Wattpad gibt es zwar Storys in mehr als 50 Sprachen, große Öffentlichkeit über die plattformeigenen Features erfahren aber primär englischsprachige Texte. 

Seit 2009 werden außerdem jährlich die Wattys in mehreren Kategorien verliehen, bei denen User*innen durch ihre Votes aktiv mitbestimmen, welche Geschichten ausgezeichnet werden. Zu den mit einem Watty prämierten Geschichten gehörte 2011 „The Kissing Booth“, ein Young-Adult-Roman, den die damals nur 15-jährige Autorin Beth Reekles kapitelweise auf Wattpad veröffentlichte. Mit 17 bekam die Waliserin einen Drei-Buch-Deal mit Penguin Random House (auf Deutsch erscheinen ihre Bücher bei cbj), 2018 schließlich wurde „The Kissing Booth“ erfolgreich von Netflix verfilmt. Ähnlich ist die Erfolgsgeschichte der Bestsellerreihe „After“ von Anna Todd (ursprünglich war das übrigens Harry-Styles-Fan-Fiction), den die 24-Jährige ab 2013 auf Wattpad hochlud. Bereits 2014 wurde der Roman in den USA bei einem Imprint von Simon & Schuster veröffentlicht (auf Deutsch im Heyne Verlag), 2019 folgte die Filmadaption von Paramount Pictures. 

2019 wurde zudem Wattpad Books ins Leben gerufen, um die Kooperation mit externen Publishing-Partnern im Verlagswesen und der Film- und Fernsehindustrie auf globaler Ebene zu vereinfachen und vereinheitlichen.  Datenbasiert sollten so die erfolgsversprechendsten Titel ermittelt werden. Für angehende (englischsprachige) Autor*innen gibt es also mehrere Tools auf Wattpad, um entdeckt zu werden, die über den konventionellen Weg Literaturagentur – Verlag hinausgehen. Und Verlage wiederum können auf den entsprechenden Plattformen nicht nur beliebte Texte entdecken und akquirieren, sondern auch ganz generell einen Überblick darüber erhalten, welche Genres derzeit am populärsten sind und anhand des öffentlichen Feedbacks sehen, was Leser*innen wirklich wollen. 

 

Steckbrief: 

  • Vorwiegend an Generation Z gerichtet
  • Zusammenarbeit interessant für Verlage mit Programmen für Jugendliche
  • Schreibwettbewerbe eignen sich für Marketing und Markenpräsenz, z.B. für Bekanntmachung neuer Segmente oder Labels
  • Bieten Agenturdienste
  • Auswertung ihrer Daten und Demographien für Talent- und Trendsuche
  • Wattpad agiert in vielen Geschäftsbereichen (eigener Verlag, Vermarktung von Wattpad-Influencer*innen, Kooperationen mit Buch- und Filmbranche sowie Unternehmen anderer Branchen) 

 

Autorin: Isabella Caldart


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