Zur Zukunft der Literatur: Die Rolle von KI. Ein Gespräch mit der Taskforce KI der Zukunfts-AG
Die Taskforce KI der Zukunfts-AG hat sich zur Aufgabe gemacht, die nächste Generation in der Buchbranche für das Thema KI zu sensibilisieren. | Ein Interview des Börsenvereins
Erstellt am 18.07.2024
Das Aufkommen künstlicher Intelligenz führt zu tiefgreifenden Veränderungen in der Buchbranche. Die Taskforce Künstliche Intelligenz der Zukunfts-AG hat es sich zur Aufgabe gemacht, die nächste Generation für dieses zukunftsträchtige Thema zu sensibilisieren. Wir sprachen mit Elena Eden über die Rolle von KI in der Branche. Elena Eden (23) hat im letzten Jahr ihr Studium der Weltliteratur abgeschlossen und befasst sich seitdem nicht mehr nur mit Büchern, sondern auch mit künstlicher Intelligenz, wie diese unsere Gesellschaft nachhaltig prägen wird und welche ethischen Fragestellungen sich daraus ergeben.
Börsenverein: Elena, warum habt ihr das Thema Künstliche Intelligenz auf Eure Agenda gesetzt?
Elena Eden: Wir haben wahrgenommen, dass künstlicher Intelligenz, obwohl sie mittlerweile überall anzutreffen ist und unausweichlich ein fundamentaler Bestandteil unserer Gesellschaft bleiben wird, noch ziemlich viele Sorgen und Zögern in unserer Branche entgegengebracht werden. Das sind zum Beispiel Ängste rund um Arbeitsplatzverluste und Sorgen vor Qualitätsminderung des Kulturschaffens sowie Urheberrechtsverletzungen. Um die Angst zu nehmen, wollen wir für mehr Verständnis rund ums Thema KI sorgen. Wir sehen KI als wichtiges Tool im Berufsalltag des Nachwuchses, nicht jedoch als gefürchteten Menschenersatz.
Dabei wollen wir jedoch keinesfalls mit einer rosaroten Brille durch den KI-Dschungel navigieren. Selbstverständlich bedarf es künftig zum Beispiel über den aktuellen EU AI Act hinausgehende Regulation, die äquivalent zur VG Wort Urheber*innen im Angesicht der teilweise intransparenten Trainingssätze von KI-Systemen vergütet sowie im Optimalfall natürlich mehr Transparenz. Wir stehen mit unserer Taskforce ganz im Sinne der Aufklärung und möchten, dass der Nachwuchs unserer Branche die Zukunft mündig mitgestalten kann.
Börsenverein: Welche Schwerpunkte verfolgt Ihr dabei?
Elena Eden: Sensibilisierung sowie die Vermittlung von Tipps, Tricks und Informationen zu den neuesten Entwicklungen, die für unsere Branche Relevanz haben.
Börsenverein: Welche Kompetenzen braucht es aus Eurer Sicht, um verantwortungsbewusst und sicher mit KI-Tools umzugehen?
Elena Eden: Ein grundlegendes Verständnis für die Möglichkeiten und aber auch Grenzen aktueller KI-Systeme aufzubauen, wäre zunächst wichtig. Wem zum Beispiel nicht bewusst ist, dass LLMs wie prominenterweise ChatGPT gerne mal halluzinieren, wenn sie ans Limit ihres Wissens kommen oder keine realen Quellen benennen können, wenn man sie etwa einen Essay verfassen lässt, hinterfragt wohlmöglich nicht, was die KI zum Besten gibt.
Auch Bewusstsein für ethische Fragestellungen und Biases spielen hierbei eine Rolle. Es gab in der Vergangenheit beispielsweise Fälle, in denen KI in der Bewerberauswahl von Unternehmen eingesetzt wurde und dabei systematisch Frauen und BIPoC-Personen diskriminiert hat, weil sie die bereits bestehenden männlich-weiß dominierten Strukturen in dem Unternehmen repliziert hat. KI ist nicht böse, aber spiegelt eben immer nur die Daten wider, die ihr im Training eingespeist wurden.
Auf aktuellem Stand ist künstliche Intelligenz weit entfernt von der in SciFi-Filmen gemalten Superintelligenz, die eigenständig denken, fühlen, ihre Kreativität entfalten und interdisziplinär schlussfolgern kann. Vielmehr kann die momentan zur Verfügung stehende sogenannte schwache KI uns als Tool dazu dienen, gewisse Arbeitsschritte zu erleichtern und uns damit im (Berufs-)Alltag zu unterstützen. Unseren eigenen Verstand ausschalten sollten wir dabei nicht.
Börsenverein: Wird in den verschiedenen Ausbildungsformen bereits Fachwissen zu Künstlicher Intelligenz vermittelt? Wenn ja, wie?
Elena Eden: Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass das Thema KI gerne mal kurz angerissen wird. Jedoch fehlt da auch auf Seiten der Lehrenden meistens das nötige Wissen. So bleiben Informationen zu tatsächlich branchenrelevanten Tools auf der Strecke.
Börsenverein: Wo seht ihr noch Bedarf? Was würdet Ihr euch wünschen?
Elena Eden: Wir würden uns wünschen, dass künstliche Intelligenz in ihrer Komplexität und Diversität in den unterschiedlichen Ausbildungsformen vernünftig thematisiert wird, sodass der Nachwuchs wirkliche Chancen hat, die Berufswelt nachhaltig den aktuellen Innovationen entsprechend gewinnbringend mitzugestalten und mit seinem Wissen auf dem Arbeitsmarkt hervorzustechen. Es reicht heutzutage einfach nicht mehr, Lernende in einer Sitzung ohne die Zugabe von faktischem KI-Wissen selbstständig diskutieren zu lassen. Es bedarf dringend Grundwissen.
Börsenverein: Wie fördert man den Erwerb von KI-Kompetenzen? Wie kann man Auszubildende und / oder Berufseinsteiger*innen bei der Ausbildung von KI-Kompetenzen unterstützen?
Elena Eden: Wichtig ist es vor allem, Hemmschwellen möglichst zu senken. Dafür ist es unerlässlich, ein Grundverständnis dafür aufzubauen, was KI auf aktuellem Stand tatsächlich kann und wovon sie vielleicht doch noch weit entfernt ist. Wer keine Angst vor neuen Technologien hat, sondern sich im Gegenteil mit Zuversicht und Neugier in die KI-Welt begibt, wird es einfacher haben, die geforderten Kompetenzen aufzubauen. Dafür wäre es sinnvoll, das Thema KI im Rahmen von gut aufgebauten 101-Kursen in Ausbildung und Studium zu integrieren.
Börsenverein: Welche Chancen seht Ihr insgesamt durch den Einsatz künstlicher Intelligenz?
Elena Eden: Gerade in der Verlagswelt sehen wir die Möglichkeit, Sisyphus-Aufgaben wie das Zusammenfassen von Manuskripten, das Einpflegen von Daten, die Recherche nach Bookfluencern für die nächste Kampagne uvm. an KIs zu übergeben, sodass Arbeitnehmer*innen mehr Zeit für Aufgaben haben, die ihre Kompetenzen tatsächlich in Anspruch nehmen. So könnten Überstunden – wie das wohl typische Lesen von eingesandten Manuskripten am Abend auf der Couch – hoffentlich vermieden werden. Und wer weiß, vielleicht ermöglicht die dadurch entstehende Effizienz in Zukunft gar eine 4-Tage-Woche?
Börsenverein: Ihr habt ja auch einen Podcast in Planung. Welches Ziel verfolgt Ihr damit?
Elena Eden: Ziel unseres Podcasts soll sowohl die Aufklärung über KI sein als auch, unseren Hörer*innen eine Art Werkzeugkasten an die Hand zu geben, um sich unerschrocken dem Thema KI zu stellen und sie im Alltag souverän anzuwenden. Dabei laden wir unterschiedliche Gäst:innen ein, die an der Schnittstelle von Buch und KI arbeiten. Das Spannende dabei ist, dass auch wir selbst auf der Reise Neues über KI in der Buch- und Verlagsbranche lernen dürfen.
Das Interview führte Stefanie Herr für den Börsenverein.
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