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Blogbeitrag Nachwuchsblog

Unser Buch des Monats Februar: Haruki Murakami - »Die Stadt und ihre ungewisse Mauer«

Voll lit! Wir küren unser Buch des Monats Februar!
Erstellt am 15.02.2024


Rezension von Tobias Groß

Ein junger Mann verliebt sich, bis über beide Ohren. Doch ohne Hoffnung. Denn seine Angebetete hat ein Geheimnis: sie besitzt keinen Schatten. Ihr wirkliches Ich existiert in einer ummauerten Stadt, in einer Parallelwelt, welche die Grenzen der menschlichen Vorstellungskraft sprengt. Denn um sie zu betreten zu dürfen, müssen sich Schatten und Mensch trennen. Für immer. Einen Weg zurück gibt es aus dieser friedlichen, jedoch grau-tristen Gegenwelt nicht. Doch der namenlose Protagonist und Ich-Erzähler will das echte Mädchen kennenlernen, koste es, was es wolle - selbst die Preisgabe der eigenen Existenz. Doch welcher Teil ist sein eigentliches Ich? Und welcher nur Imagination?

Doch die Sehnsucht nach seinem Schatten ist zu groß. Auf unbekannten Pfaden kehrt er recht schnell in die „normale“ Welt zurück und ikonisiert seine verloren gegangene Beziehung in einem traumatischen Ausmaß: sie wird für ihn zur einzig wahren Form der Liebe - eine Liebe, die man nur einmal erlebt und für immer der Maßstab sein wird. Mittlerweile erwachsen führt der Erzähler ein geregeltes Leben ohne nennenswerte Höhepunkte. Und ohne die große Liebe. Als er mit Mitte 40 zum Leiter einer kleinen Bibliothek in der japanischen Provinz wird, holt ihn die schattenlose Episode der Vergangenheit ein. Plötzlich gerät die scheinbare Wirklichkeit ins Wanken, die ummauerte Stadt ergreift wieder Besitz von ihm. Und auch die Liebe zeigt sich erneut.

Murakami-Liebhaber:innen werden »Die Stadt und ihre ungewisse Mauer« in einem Rutsch verschlingen, finden sich doch hier alle Elemente wieder, die wir in seinen Erzählungen so lieben. Doch auch Neulinge werden schnell einen Zugang finden, denn die phantastischen Elemente des Romans sind nicht zu abstrus oder wirken abschreckend. Im Gegenteil, die Aufweichung der Grenzen zwischen Fantastik und Realität lässt unendlich viele Interpretationsspielräume offen, schließlich könnte die offensichtliche Wirklichkeit auch nur eine Vorstellung sein.

Haruki Murakamis erneute Reise zwischen den Welten ist daher ein von Ursula Gräfe meisterlich übersetztes, knapp 600-seitiges literarisches Denkvergnügen, gleichzeitig emotionaler Entwicklungsroman und Liebesgeschichte voller schmerzhaft-schöner Melancholie. In der bereits in den 1980er-Jahren erdachten Geschichte läuft Murakami erneut zur Höchstform auf, die Unvorhersehbarkeiten der Corona-Zeit haben seinen Erzählkünsten sichtlich gut getan. Und so ist »Die Stadt und ihre ungewisse Mauer« ein wahrlich fantastischer Roman und definitiv (noch) kein Alterswerk. Jedoch wieder ein Ausrufezeichen, warum er die logischste und beste aller Optionen für das Literaturnobelpreiskomitee ist.

Haruki Murakamai - »Die Stadt und ihre ungewisse Mauer«, Roman, aus dem Japanischen übersetzt von Ursula Gräfe

Dumont Buchverlag, Januar 2024, 672 Seiten, 34,00 €, 978-3-8321-6839-1


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Wenn ich jemandem erzähle, dass ich in Berlin studiere, fragen mich viele wie es mir so gefällt.
Ich sage dann meistens so: Im Sommer geht's. Jetzt gerade ist aber nicht Sommer.