Voll lit! Wir küren unser Buch des Monats Juli. Eine Reflexion über Rechtspopulismus in Deutschland und erschreckende Tatsachen. Warum es aktuell leider nicht mehr reicht unpolitisch zu sein: Aus Plänen könnten Taten werden.
Erstellt am 30.07.2024
Rezension von Tobias Groß
Was sich in manchen europäischen Staaten bereits in den 1990er-Jahren angekündigt hat und in den 2000ern zur Realität wurde, ist in Deutschland erst 2013 geschehen: die Gründung einer rechtspopulistischen Partei, welche binnen von 10 Jahren zur stärksten politischen Kraft in Ostdeutschland wurde. Und auch in den alten Bundesländern ist sie auf dem Vormarsch. Doch diese Partei als lediglich rechtspopulistisch zu bezeichnen, ist mittlerweile der reinste Euphemismus. Die sogenannte “Alternative” ist nichts anderes als eine im Kern rechtsextreme Partei, in der zumindest eine zentrale Figur sogar höchstrichterlich als Faschist bezeichnet werden darf. Und in der sich Russlandfreund:innen und Spione tummeln. Echte Patrioten halt.
Die Beweise für diese zur bitteren Wahrheit gewordenen These liefern Marcus Bensmann und das Recherchenetzwerk CORRECTIV mit ihrem Buch »Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst«. Sie liefern einen umfassenden Überblick über die Entwicklung der Partei und zeigen die engen Verbindungen vieler Blauer zu rechtsextremen Denkfabriken und ihre Einbindung in derartige Netzwerke auf. Doch vor allem analysieren sie die teils öffentlichen, teils internen Aussagen einflussreicher Akteur:innen. Was sich dabei in deren Worten und Plänen offenbart, ist erschreckend und zeigt eindeutig was passieren wird, sollten diese Menschen gestalterische Macht bekommen. Man wird sie beim Wort nehmen müssen.
Wohl selten war der Titel eines Buches so treffend, wie bei diesem wachrüttelnden und erkenntnisreichen Kompendium. Marcus Bensmann und das Recherchenetzwerk CORRECTIV liefern mit »Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst« einen unglaublich lesenswerten, jedoch zutiefst schockierenden Überblick über all das, was die blaue Partei ausmacht: gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Verachtung der Demokratie und der Hass auf alle Andersdenkenden. Natürlich sind die Aussagen nicht neu und überraschen keineswegs, jedoch all das geballt zu lesen, wird den allermeisten Leser:innen riesengroße Angst machen. Wenn der Faschist aus Thüringen und seine Handlanger:innen tatsächlich an die Macht kommen, dann könnte dies nur der Anfang für das Comeback von 1933 sein und die feuchten Träume der Blauen zur bitteren Realität für alle aufrechten Demokrat:innen werden.
Marcus Bensmann / CORRECTIV - »Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst«, Sachbuch
Galiani Berlin, Juli 2024, 256 Seiten, 978-3-86971-311-3