Discord – Zurück zur Community
Persönlicher und direkter Austausch in kleineren Gruppen, die gemeinsame Interessen teilen, wird wieder beliebter. Wenig überraschend also, dass sich Discord als gute Alternative zu Instagram etabliert. | Ein Beitrag des Börsenvereins
Erstellt am 13.06.2025
Politische Änderungen durch Plattforminhaber, Reizüberflutung, Bots und jetzt KI-Content – die Gründe für die Social-Media-Müdigkeit sind vielfältig. War Social Media einst als Möglichkeit für private Vernetzung gedacht, haben sich Plattformen wie Instagram, TikTok, X oder Facebook längst zu Bühnen für den polierten Content einzelner Großaccounts gewandelt. Die soziale Komponente und persönliche Beziehungen wurden weniger relevant – auch, weil Algorithmen sie kaum noch sichtbar machen. Dieser Wandel betrifft auch die Buchbranche. Verlage wie Buchhandlungen bauen auf die persönliche Bindung zu ihren Follower*innen. Denn Austausch mit der Community hilft, die eigene Marke zu stärken, Vertrauen zu schaffen und hin und wieder wertvolles Feedback zu bekommen. Genau das wird zunehmend erschwert.
In einer groß angelegten Studie hielten Vox Media und das Technikportal The Verge daher im Februar 2025 unter anderem fest: „Kleinere, zielgerichtete Communitys sind die Zukunft. Der Wunsch nach kleineren, intimeren Communitys ist unübersehbar. Menschen verlassen riesige Plattformen zugunsten eng verbundener Gruppen, in denen Vertrauen und gemeinsame Werte gedeihen und Inhalte im Mittelpunkt stehen. Die Zukunft des Community-Aufbaus liegt in der Rückbesinnung auf das Wesentliche. Marken und Plattformen, die diese persönlichen, menschenzentrierten Interaktionen fördern, werden die Gewinner sein.“
Mit diesem Wissen wird es nicht unbedingt überraschen, dass sich Discord zunehmend an Beliebtheit erfreut. Ursprünglich 2015 für Gamer*innen gegründet, finden sich dort immer mehr Mikro-Communitys aus sämtlichen Bereichen. Tendenz: wachsend. Aktuell gibt es – je nach Statistik – etwa 614 Millionen registrierte User*innen, von denen mindestens 200 Millionen Discord regelmäßig aktiv nutzen. Vom Aufbau erinnert Discord ein wenig an die Foren-Struktur der frühen 2000er-Jahre oder an Facebook-Gruppen mit Servern, die verschiedene, sehr spezifische Kanäle haben; Beispiele für diese Kanäle wären etwa „Niederländische Literatur“, „Bücher von queeren Autor*innen“, „Lese-Challenges“, „Veranstaltungen“ oder „Medien-Gossip“.
Drei Beispiele aus der deutschen Buchbranche
Auch hierzulande hat man die Vorteile vom engeren Austausch in kleineren Communitys bereits erkannt. Zu den Pionieren im Kulturbereich gehört 54books. Das Online-Feuilleton von Johannes Franzen, Berit Glanz, Tilman Winterling und Simon Sahner öffnete bereits im November 2022 einen eigenen Server, der aktiv genutzt wird. Gut 700 Menschen (Stand: Juni 2025) sind dort registriert, um sich in Channels wie „Film und Serie“, „Digitale Kultur“, „Beef und Cringe“, „Kulturwissenschaft“, „Lyric“, „Memes“ oder „Schreiben“ auszutauschen, außerdem gibt es einen Kanal, um die Texte, die auf 54books.de veröffentlicht werden, zu promoten. Der Server hat also zweierlei Funktion: Austausch mit Gleichgesinnten sowie direkte Verlinkungen zu 54books-eigenen Content.
Der kleine, neu gegründete Franken Verlag aus Dortmund ist ebenfalls mit einem Server auf Discord unterwegs. Für Verleger Lucas Franken ist „Discord die beste Plattform, um mich mit dem Publikum auszutauschen“, wie er sagt. „Über thematisch geordnete Textkanäle bleiben die Mitglieder des Verlagsservers nicht nur über alles auf dem Laufenden, sondern können auch direkt mitdiskutieren – ob über Programmentscheidungen, Buchcover oder Veranstaltungen.“ Zudem weist er auf die Funktion von Sprachchats hin. Damit ist es möglich, „Online-Lesungen oder Gesprächsrunden anzubieten“. Generell ist sein Wunsch, langfristig eine aktive Community aufzubauen, „die mitgestaltet und Impulse gibt“.
Und auch die Lese-Community selbst hat Discord als Austauschplattform für sich entdeckt. Lisa Ehle, die auf Instagram unter @the.literarycorner bekannt ist, hat einen eigenen Server gegründet, um sich mit anderen Leser*innen auszutauschen – gerade auch mit ihrem monatlichen Buchclub. „Wir waren erst eine WhatsApp-Community, aber die Funktionalitäten waren nicht wirklich passend“, erläutert Ehle; neu hinzugefügte Mitglieder konnten auf WhatsApp alte Chats nicht sehen und auch sonst mangelte es an Übersichtlichkeit. Auf Discord hat sie einen extra Kanal eingerichtet, in dem sich die Neuen vorstellen können.
Sie hofft, mit dem Server eine aktive Community zu etablieren, die „gerne Bücher empfiehlt und darüber diskutiert, in der man motiviert wird zu lesen und wo sich alle gleichermaßen beteiligen können – ohne Algorithmus, ohne Werbung“. Eben weil Discord kleiner und familiärer ist, gibt es die Möglichkeit, sich besser kennenzulernen. In diesem semi-öffentlichen Raum sei es einfacher, Meinungen auszutauschen, aufeinander einzugehen und langfristig die Menschen kennenzulernen, mit denen man über Bücher schreibt. „Der Kernunterschied zu Instagram ist für mich, dass auf Instagram mehr Selbstdarstellung stattfindet und ebendie Menschen, die sich selbst darstellen, mehr Gehör finden, aber alle anderen gehen unter“, so Ehle. Auf Discord wiederum „haben alle die gleiche Reichweite“.
Natürlich bedeutet Discord, dass man recht viel Zeit einbringen muss, um zunächst Interessierte auf den Server zu locken und dann mit den Leser*innen in einem regelmäßigen Austausch zu bleiben. Langfristig kann sich diese Investition aber doppelt lohnen – zum einen für den Verlag oder die Buchhandlung, um konkret auf Titel, Veranstaltungen und Neuigkeiten hinzuweisen, und zum anderen schlicht und ergreifend auf der persönlichen und sozialen Ebene.
(Da Einladungslinks zu Discord-Servern nur sieben Tage gültig sind (immerhin handelt es sich um semi-öffentliche Communitys), werden diese hier nicht verlinkt – sie können bei den jeweiligen Betreiber*innen aber erfragt werden.)