Initiativen des Börsenvereins und der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins

Eine Übersicht der Projekt-Webseiten des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

ABC des Zwischenbuchhandels

Verlagsauslieferung (Verlags-Kommissionär)


Neben den klassischen Funktionen – Kundenservice inkl. Bestellannahme, Lagerhaltung, Fakturierung, Buchhaltung, Auslieferung und Remissionsverarbeitung – bieten die Verlagsauslieferungen (VA) heute ein breites Spektrum zusätzlicher Dienstleistungen für ihre Verlage (Kommittenten) an. Moderne Informationssysteme unterstützen die Vertriebsarbeit der Verlage und deren Vertreter. Die Führung der Debitorenkonten wurde um Finanzdienstleistungen (Delcredere, Factoring oder Inkasso) erweitert. Als weitere Dienstleistung sind bei vielen VA Parkmodelle (Parken) und PoD (Print on Demand) hinzugekommen. Durch die Vielzahl von Dienstleistungen und Vertragsarten (zwischen Auslieferung und Verlag) ist es schwierig, die VA rechtlich einzuordnen. I. d. R. sind sie keine Kommissionäre nach HGB; aber buchhändlerische Kommissionäre im traditionellen Sinn sind sie nur dann, wenn sie nach dem Mandantenprinzip arbeiten, d. h. wenn sie die Sendung eines Verlages auf eine Rechnung setzen und nicht verlagsübergreifend fakturieren. Verlagsübergreifendes Fakturieren wird erst möglich, wenn Verlage sich zu einer Auslieferungs-, Verlags- oder Versandgemeinschaft zusammenschließen oder wenn sie mit der VA Factoring vereinbaren oder wenn die VA eine juristische Sekunde vor dem Verkauf die auszuliefernden Bücher beim Verlag kauft, d. h. die ausgelieferten Exemplare erwirbt, um sie auf eigene Rechnung zu verkaufen (z. B. Multifakt bei Brockhaus Commission). Im dritten Fall werden diese VA vom Dienstleister (Absatzhelfer) zum Eigenhändler bzw. Großhändler (Absatzmittler). Der Verlag hat den Vorteil, nur noch einen Debitor (Rechnungskunden – nämlich seine VA) zu haben, aber er begibt sich dadurch in eine gewisse Abhängigkeit, denn er verliert die Risikostreuung seiner Forderungen auf viele Kunden. Für die Dienstleistungen der VA zahlt der (Verlags-)Kommittent Provisionen (variable Kosten in Prozent vom Nettoumsatz) und Spesen (Ersatz für fixe, d. h. vom Umsatz unabhängige Kosten) an seine VA. Die Höhe der Provisionen für das Handling und die Fakturierung richtet sich nach der Auslieferungsstruktur des Verlages (Jahresumsatz, Titelzahl, Lagerumschlag, Bündelung pro Bestellzeile, Anzahl der Rechnungen usw.). Die Spesen hängen von der Inanspruchnahme (Lagerraum, Porto, Einholgebühr, Verpackung, Telefon, Arbeitszeit für Sonderwünsche, wie z. B. Neu-Einschweißung von Remittenden usw.) ab. Provisionen und Spesen zusammen ergeben  die Gebühren, die ein Verlag – i. d. R. monatlich – an seine Auslieferung zu zahlen hat.
Auch wenn die Vertriebshoheit beim weisungsberechtigten Verlag bleibt, kann er durch die Einschaltung einer VA einen Großteil seines Vertriebs ausgliedern, um sich ganz den zentralen Bereichen Lektorat, Herstellung, Marketing und Verkauf (samt Vertretereinsatz und -steuerung) zu widmen. In Österreich und der Schweiz wird u. U. auch die Verlagsvertretung an die dort beauftragten VA vergeben. Die Vorteile einer Fremdauslieferung gegenüber der Selbstauslieferung liegen in der überwiegend preisgünstigeren Abwicklung (Bündelungs- und Synergieeffekte, bessere Ausnutzung technischer Einrichtungen und Geräte, Mehrfachnutzung von Softwaremodulen usw.) und der Flexibilisierung der Auslieferungskosten (mehr variable, d. h. umsatzabhängige Kosten statt der weitgehend fixen Kosten der eigenen Auslieferung), im detaillierteren und tagesaktuellen Berichtswesen (Buchungen, Informationen, Statistiken) sowie in der Vermeidung von Kapazitätsengpässen bzw. Überkapazitäten auf Grund saisonaler oder produktionsbedingter Schwankungen (bezogen auf den jeweiligen Verlag). Durch die Zusammenarbeit mit einer VA nimmt der Verlag automatisch an der Weiterentwicklung der Informationssysteme und Logistikdienstleistungen teil. Dennoch halten manche Verlage an der eigenen Auslieferung fest, weil sie mit einer Druckerei verbunden ist, weil sehr viele Endkunden/Letztabnehmer) bedient (und gepflegt) werden, weil die Bücher „im eigenen Haus“ bleiben sollen oder weil die eigene Auslieferung günstiger ist oder erscheint.
Die Vorteile einer VA für den Buchhandel liegen in den Bündelungseffekten, d. h., dass Bestellungen, Anfragen, Lieferungen und Zahlungen, die mehrere Verlage betreffen, von deren VA zusammengefasst werden. Mit der Möglichkeit, Bestellungen so lange zu parken, bis ein bestimmtes Volumen (Wert) erreicht ist oder ein festgelegter Zeitraum überschritten wird, erhöht sich der Bündelungseffekt.
Bis Ende der 1950er Jahre war die VA eine Domäne selbständiger Zwischenbuchhändler oder eines der Unternehmen großer Zwischenbuchhändler, die alle Zweige des Zwischenbuchhandels in ihrer Unternehmensgruppe vereinten, d. h. als Kommissionäre und als Barsortimenter tätig waren und z. T. noch sind. Diese Tradition endete mit der Gründung der Vereinigten Verlagsauslieferung (VVA) durch Bertelsmann (1959). Danach folgte eine ganze Welle von „Ausgründungen“: Alle großen Schulbuchverlage verselbständigten ihre Auslieferungen und nahmen die Programme fremder Verlage auf. Inzwischen haben auch branchenfremde Unternehmen (z. B. Rhenus) den Zwischenbuchhandel als Geschäftsfeld entdeckt. Die Auslieferungen ausländischer Verlage sind oft gleichzeitig als (Spezial-)Barsortimente (Import) tätig (auch im deutschsprachigen Raum). Das wird dadurch gefördert, dass die Auslieferung als Großhandel betrieben wird: Kauf der Verlagserzeugnisse – allerdings mit vollem Remissionsrecht –, Verkauf auf eigene Rechnung und eigenes Risiko, Vertretung und Werbung für mehrere Verlage (gemeinsam) usw. In Deutschland bieten ebenfalls einige VA ihren Kommittenten weitere Vertriebsdienstleistungen an: gemeinsame Messeauftritte, Key-Account, d. h. Betreuung von Großkunden, Außenhandel usw. (Vgl. auch Vertriebsservice). Mit der Digitalisierung (E-Book, E-Paper) halten die VA Schritt (Digitale Verlagsauslieferung) und bieten neue Dienste an wie Hosting, Konvertierung u. a. VA haben außerdem schon vor vielen Jahren damit begonnen, ihre Dienstleistung auch Auftraggebern (Mandanten) außerhalb des Buchhandels anzubieten: „Industriegeschäft“. In dem Maße, wie dadurch neue Kunden gewonnen worden sind, hat sich die Dienstleistungspalette erweitert, von weltweitem Prospektversand bis zur Abrechnung von (Kunden-)Kartensystemen. Die Internetadressen der VA finden sich im Adressbuch für den deutschsprachigen Buchhandel (www.adb-online.de).